Kamet, Französische Erstbegehung

Im Himalaya Massiv gibt es unzählige Berge und Felswände, die noch nicht entdeckt und eröffnet wurden. Fernab vom grossen Gedränge hat ein französisches Bergsteigerteam eine neue Route in der Ostwand des Kamet eröffnet. Eine entspannte Atmosphäre auf einer Route von unglaublicher Schönheit.

TEXTE & FOTOS : Ludovic Challeat

Ein Team bestehend aus neun Alpinisten unter der Leitung der zwei französischen Bergführer Ludovic Challéat und Jean Annequin macht sich im September 2005 in Richtung Delhi auf, um die französische Erstbegehung der Südostwand des Kamet zu wagen.
Höchster Punkt in der Garhwal-Region (Zentral-Himalaya) und hinter dem Kangchenjunga und dem Nanda Devi der dritthöchste Berg Indiens, hat der Kamet seinen Namen vom Wort Kang-Med erhalten, was auf Tibetisch soviel wie „Gletscherfeuer“ heisst. Er wurde so benannt, weil ihn die ersten und letzten Sonnenstrahlen des Tages jeweils in tiefes Orangerot eintauchen.
Er liegt unmittelbar bei der Grenze zu Tibet und wird von seinem Nachbarberg Abi Gamin (7'355 Meter) nur durch den Col Meade (7'138 Meter) getrennt. Dieser gigantische Obelisk kennzeichnet sich durch drei steile, schroffe Wände: die Ostwand erhebt sich 1'800 Meter über dem Ostgletscher, die Südwand (unberührt) mit einer Höhe von 2'100 Metern überragt den linken Bereich vom Westgletscher des Kamet, und die Nordwestwand schliesslich erstreckt sich zwischen dem Abi Gamin und dem Kamet.
Die Erstbesteigung geht auf das Jahr 1931 zurück, als ein Expeditionsteam unter der Leitung von Franck Smythe sein Basiscamp auf einer Höhe von 4'300 Metern errichtet und den Gipfel über den Col Meade erklimmt. Unter den Teilnehmern befindet sich auch Eric Shipton. Einer der Alpinisten verwendet für den Auf- wie für den Abstieg zwischen 6'700 Metern und 7'100 Metern Höhe gar Skier und fährt mit diesen aus einer Höhe von 6'300 Metern bis runter ins Basiscamp…
Der Kamet ist bis heute ein schwach frequentierter Berg und verzeichnet nur wenige Besteigungen westlicher Alpinisten. Daher kann man auf diesem hohen Berg noch einige Erstbegehungen machen…Eine ausgedehnte Route (Eis- und Mixtklettern) ist mit 2'000 Metern Höhe jene über die Südwand. Eine weitere Möglichkeit bietet die Route auf der rechten Seite des Berges, welche an die Südwand angrenzt, aber einen leichteren Zugang bietet.

Maximale Schneehöhe
Nach Delhi, dieser lärmenden und stark verschmutzten Metropole, führt uns unser Weg nach Rishikesh, Joshimath und schliesslich Gamsali, jene auf einer Höhe von 3'300 Metern gelegene Stadt, von welcher aus wir unsere Expedition beginnen. Nach vier Tagen erreichen wir den Vasudhara See (4700m), der zugleich auch das Ende des Pfades markiert. Der Weg folgt nun entlang dem Gletscher des Kamet, der in zwei Tagen überquert werden muss, damit man das Basiscamp auf 5'300 Metern Höhe erreicht.
Kaum angekommen, werden wir von schlechtem Wetter überrascht, welches in der Folge während drei Tagen anhält. Mehr als zwei Meter Schnee fallen in dieser Zeit. Die Zelte brechen unter dem Gewicht des Schnees ein. Einige unter ihnen sind stark beschädigt, verursacht von herabstürzenden Lawinen in nächster Nähe, die ausgedehnte Lawinenkegel hinterlassen.
Unnötig zu erwähnen, dass die Träger sich weigern, unter diesen Bedingungen weiter zu gehen (und sie haben natürlich Recht!), und so heisst es hin und zurück bei miserablem Wetter. Halb erfroren und hungrig erreichen wir das Basiscamp in der Nacht…
Doch schon bald schlägt das Wetter ins Positive um: Sturm ade und schönes Wetter bis zum Ende der Expedition sind jetzt angesagt!
Um das Hochplateau von Camp 1 auf 6'000 Höhenmetern zu erreichen, führt die Route durch ein steiles Couloir, welches gesäumt ist von hohen roten Granitsäulen. Nach einer letzten Anstrengung ist das Camp erreicht. Die Rucksäcke sind schwer, und durch das schlechte Wetter haben wir wertvolle Tage verloren. Wir entschliessen uns daher weiter zu gehen, ohne vor dem Gipfelsturm noch mal ins Basis Camp zurückzukehren. Zwei weitere Tage sind notwendig, um den Weg, der ins Camp 2 auf 6'500 Metern führt, mit Fixseilen zu sichern. Es ist die technisch anspruchsvollste Partie des Abenteuers: Auf einem halsbrecherischen Weg zwischen brüchigem Fels und Rinnen erreichen wir den letzten verschneiten Hang, der eingerahmt ist von einem riesigen Gletscherabbruch. Ein einzigartiger Aussichtspunkt und eine aussergewöhnliche Atmosphäre, die an eine der grossen Wände der Alpen erinnert!
Ein Akklimatisationstag gefolgt von einem Ruhetag, und dann machen wir uns erneut auf den Weg über den Gletscher des Abi Gamin mit Ziel Col Meade auf 7'138 Höhenmetern, wo das letzte Camp steht. Dieser Streckenabschnitt ist technisch weniger anspruchsvoll, doch man spürt die Höhe und am Folgetag steht der Gipfelsturm bevor…

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