Ama Dablam
Das Matterhorn Nepals

Einleitung: Die Ästhetik eines Gipfels macht bereits einen Teil des Traumes aus, welcher sich in den Köpfen von Alpinisten abspielt. Bleibt also noch, den Körper mittels eines technischen Anreizes zu befriedigen. Die pyramidenartige Form dieses Berges hatte bereits die Aufmerksamkeit des berühmten Sir Edmund Hillary auf sich gezogen, welcher, nach seiner erfolgreichen Erstbesteigung des Daches der Welt, den Ama Dablam zuerst als unbesteigbar einstufte, nur um ihn in der Folge doch zu erobern.

Texte und Fotos Stéphane Schaffter





Ama Dablam heisst in Sanskrit soviel wie „Mutter mit dem Amulett“. „Ama“ seiner lang gezogenen Berggrate wegen, welche die Arme einer schützenden Mutter symbolisieren und „Dablam“ aufgrund seines Gletschers, der einem Dablam gleicht, jenem Kästchen also, in welchem nepalesische Frauen ihren Schmuck und Fotos aufbewahren. Ein beinahe unerreichbares Objekt also…

Am 13. März 1961 erreichte eine internationale Seilschaft aus dem Expeditionsteam von Sir Edmund Hillary den Gipfel des Ama Dablam. Diese setzte sich aus dem Engländer Michael Ward, dem Amerikaner Barry Bishop und den beiden Neuseeländern Wally Romanes und Mike Gill zusammen. Die Besteigung, eine der ersten erfolgreichen Expeditionen überhaupt während der Wintersaison in Nepal, folgte auf das Unglück am Makalu nur gerade einmal zwei Monate zuvor, anlässlich einer Expedition zu wissenschaftlichen Zwecken.

Die Normalroute führt heute über den Südwestgrat und bietet stets eine traumhafte Besteigung, obschon der enorme Gletscherschwund die Passage mit den Seracs (Gletschernasen) stärker exponiert. Die perfekte Geometrie dieses Berges offenbart sich übrigens am Schönsten von Pangboche aus, dem Zermatt des Khumbu.

Auftakt zu einem Abenteuer

Die Hauptstadt Nepals, Kathmandu, sorgt mit ihren Kontrasten und ihrer politischen Situation auf der Suche nach Stabilität für eine farbenfrohe touristische Etappe. Der Zwischenstopp hier ist obligatorisch, um alle Formalitäten regeln zu können, die einen schliesslich in den Besitz jener Bewilligungen bringen, die notwendig sind, will man oberhalb von 6’000 Metern den Bergsport ausüben - ein Vorgehen übrigens, welches das Einkommen der Sherpas sichert, die aus der Khumbu Region stammen…

Nepal hatte zur Herrscherzeit der Mallas zwischen 1200 und 1769 eine architektonische Blütezeit erlebt. Zur selben Zeit zeichnete sich das Volk der Newar, eine Ethnie, welches speziell Kunst begabt war, durch die Feinheiten seiner Holzskulpturen und Malerei aus.

Im 19. Jahrhundert machte Jayasthiti, der beliebteste Malla, Nepal als Land der Künste und des Wohlstandes zu einem Fixpunkt auf der Asienkarte, was auch den lokalen Tourismus begründete. So gehören auch Bhaktapur, Patan, Boudhanath, Swayamblunath und Pashupatinath zu jenen Königsstädten der nepalesischen Kultur, die es anlässlich einer Nepalreise und einem Abstecher in dessen Hauptstadt zu besichtigen gilt, tragen sie doch zu einem unvergesslichen Erlebnis bei.

Vertraut werden mit der Höhe

Die enorme Grösse der Region zwingt die Alpinisten dazu, die Distanzen durch Inlandflüge zu reduzieren. Die dadurch erlangte Zeitersparnis erlaubt wiederum eine längere Akklimatisationszeit im Hinblick auf den Aufenthalt in enormen Höhen, welche unsere europäischen Verhältnisse in jeder Hinsicht übersteigen. Für unsere Expedition zum Ama Dablam gelangen wir in einem einstündigen Flug von Katmandu nach Lukla, dem Eingangstor zu den Khumbu Tälern.

Am Rande des Nationalparks von Sagarmatha führt unser Marsch entlang des Flusses Dudh Kosi, dessen Quelle unter den höchsten Gletschern der Welt entspringt. Das auf 3'440 Metern Höhe gelegene Namche Bazar ist in 2 Tagen erreicht. Dieser Ort der Sherpa Hochkultur ist zugleich auch Begegnungsstätte zwischen Einheimischen auf der Suche nach Kontakten, zwischen Tibetern auf der Suche nach Käufern für ihre Nippsachen, die aus einer anderen Welt zu stammen scheinen und zwischen Trekking Teams, die bei einer Tasse Tee in einer der berühmten Lodges auf der Suche nach Spiritualität sind! Dieses Chamonix des Nepals ist voll und ganz auf den Tourismus ausgerichtet, beinahe zu stark, würden die Ahnen wohl sagen…

Nach einem Besuch im höchst gelegenen Kloster des Tengboche Tal, wo wir Dalbat versuchen konnten – dieses lecker schmeckende Nationalgericht, welches aus weissem Reis und einer Linsensuppe besteht - führt uns der Weg in Richtung des zukünftigen Basis Camps. Wir sind umgeben von prächtigen Chörten, welche in Respekt vor den Göttern errichtet wurden. Fernab dieser buddhistischen Stätten, die jedem Ruhe und Geborgenheit mitgeben, beginnt ein neues Leben, jenes des echten Himalaya Bergsteigers! Hier enden die Trekking Routen, wo man Einheimische sowie Wanderer aus allen Ecken der Welt antrifft.

Konfrontation mit der Natur

Wir errichten zwei Höhencamps: ein erstes in 5'400 Metern Höhe vor den schwierigen Felspartien und ein zweites in rund 5'800 Metern Höhe, unserem Ausgangspunkt für den Gipfelsturm.

Nach zehn Tagen, die wir abwechselnd mit Vorbereitungen und Ruheperioden verbringen und unterstützt von einer Hochdruck Zone, brechen wir zum Gipfelsturm auf. Es ist zwei Uhr morgens, als wir in unseren kleinen, an den Berghang gedrückten, Zelten erwachen. Ein Moment, der zugleich schwierig wie belebend ist. Während zäh verstreichender Minuten bereiten wir uns mittels eines kleinen Gaskochers unser Frühstück, in Anspannung vor dem, was uns erwartet und einer gewissen Beklemmung im Herzen vor einem möglichen Scheitern. Es gibt nur einen Weg zum Erfolg: die Motivation!

Bei der Ankunft auf dem Gipfel offenbart sich vor uns der Everest. Damit geht dieses Abenteuer zu Ende, welches erfahrenen Alpinisten vorbehalten ist, die sich noch lange Zeit an diesen unvergesslichen Augenblick erinnern werden.

Dies ist auch der Moment, in dem man gegenseitiges Verständnis und Bescheidenheit lebt, sieht man sich doch den Gegebenheiten der zu überwindenden Passagen gegenüber, was einen schätzen lässt, was uns die einzelnen Momente dabei schenken: einen Sonnenuntergang beim Einschlafen, Sonnenstrahlen am Horizont, die einen wärmen oder eine kleine Pause beim Kauen eines Stückchen getrockneten Fleisches verbunden mit dem Genuss einer angenehm warmen Tasse Tee und natürlich der herzerwärmende Gedanke an ein köstliches, von einem aufmerksamen Koch zubereitetes Essen, bei der Rückkehr ins Basislager.

Die aussergewöhnlichen Glücksgefühle dieses kurzen Moments auf dem Gipfel, die erlebten und überwundenen Ängste und Zweifel, ja dieser Wille, durchzuhalten und für den Erfolg zu kämpfen, machen aus diesem speziellen Abenteuer etwas, worauf man zu Recht stolz sein darf und zu einem dieser ganz seltenen Erlebnisse im Leben eines Alpinisten.

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