Mauro „Bubu" Bole:
Senkrechte Träume zwischen Ordnung und Chaos

Vielseitiger Spitzenkletterer, aber auch ein immer zu einem Spass aufgelegtes Original: Das ist der Italiener Mauro „Bubu" Bole.

Text: Christine Kopp
Fotos : Fabio Dandri

Wer mit Mauro Bole spricht, unter Kletterern Bubu genannt, muss sich einstellen auf einen Wasserfall in Staccato-Italienisch mit unverkennbarer Färbung der Stadt Triest, wo sein Haus steht. Allerdings: Was heisst schon Haus … Es handelt sich um einen auf einem Campingplatz fest platzierten Wohnwagen mit Anbau. Typisch Kletterer? Ja und nein: Der Innenraum entspricht in nichts dem Klischee des heimatlos durch das Leben und die Wände ziehenden Vagabunden. Perfekte Ordnung, peinliche Sauberkeit, die Wäsche fältchenfrei gebügelt, jedes Detail liebevoll durchdacht, das Küchenabteil glänzend poliert. Bubu, Jahrgang 1968, ausgebildeter Klempner und Bergführer, ist nicht nur ein vergnügter Lausbube, sondern auch ein unglaublicher Perfektionist.

Diese Eigenschaft kam ihm bei seiner alpinistischen Tätigkeit zugute: Sie begann mit langen Felstouren und wilden Skiabfahrten. Bald folgten Eiskletterwettkämpfe. Bis heute gilt Bubu als einer der komplettesten Eiskletterer der Welt, der auch die Disziplin des „Dry Tooling" massgeblich geprägt hat, etwa mit der Erstbegehung seiner legendären Route „Mission Impossible" (2001). Seit 1999 lebt Bubu vom Bergsteigen: Er spezialisierte sich auf freie Begehungen grosser klassischer Felsklettereien wie die „Couzy" oder die „Camillotto Pellissier", beide 8b-Routen an den Drei Zinnen, aber auch auf Erstbegehungen in den Dolomiten, in der Cordillera Blanca, in Fels und im Eis.

2001 eröffnete Bubu am Shipton Spire in den pakistanischen Trango Towers seine famose Route „Women and Chalk" – benannt nach zwei fundamentalen Ingredienzen seines Lebens, Frauen und Magnesia. Beide sind hie und da mit Enttäuschungen verbunden, die ihn tagelang in seinem Wohnwagen verschwinden lassen. Was ihm beim Alpinismus zu schaffen macht, sind Missgunst, Eifersüchteleien – eine Eigenschaft, die ihm völlig fern ist – und seines Erachtens überflüssige Diskussionen um Bewertungen und Grade. Am genauesten messbar sind Leistungen an Wettkämpfen, an denen Bubu jahrelang sehr erfolgreich war: Den „Ice World Cup" bestritt er nicht einfach aus Wettkampfsgeist oder für seine Sponsoren, sondern aus Spass an der Sache. Das entspricht seiner Art: Bubu beschliesst aus dem Bauch heraus, was er als nächstes tut. Zurzeit widmet er sich unter anderem seiner Eisklettergeräte-Kollektion „Climbubu" – perfektionistisch und kreativ wie immer. Er bezeichnet die Freiheit, selbst über die Gestaltung des nächsten Tages zu entscheiden, als unbezahlbar. Wie lange er so leben wird? Keine Ahnung, kann sein, dass Bubu morgen aus der Bergsteigerszene aussteigt und sich mit einem selbst gebauten Holzboot und seinem Surfbrett ans Meer absetzt.

Dort hätte er die Zeit, das Buch zu schreiben, von dem er träumt. Zwar liest er selbst keine Bücher, aber das Schreiben begeistert ihn: pur, witzig, spontan und sensibel – so wie er leibt und lebt. In einem fragilen Gleichgewicht zwischen seinem Bedürfnis nach Freiheit und starken Gefühlen einerseits und jenem nach Ruhe und Struktur andererseits, das sich in den zwei Personen „Mauro" (die er als das wahre, ganz normale Ich empfindet) und dem öffentlichen „Bubu" (die im Zentrum der Aufmerksamkeit steht) äussert. Jemand, der ständig versucht, seiner Kreativität Ausdruck zu verleihen. Eine Suche, die aber auch mit Leiden verbunden ist. Als ich ihn das letzte Mal sah, erzählte er, er sei eben daran, die Welt der Frau in all ihren Feinheiten zu entdecken. Eine wunderbare Welt, in der es weniger Arglist als unter Bergsteigern gebe; aber schrecklich seien wir Frauen schon: Am Ende entschieden wir, wo es lang gehe …

Für Mauro „Bubu" Boles Geschichten, Touren und Ideen: www.climbubu.com.

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