Südliches Patagonien – Hielo continental sur Geheimnisvoller Lautaro

Dies ist die Geschichte eines Vulkans am Ende der Welt und vom Ende der Welt. Ein in vielerlei Hinsicht aktiver Vulkan. Zum ersten Mal hat eine kommerzielle Expedition den Gipfelsturm gewagt… und dabei den Schleier um das Geheimnis des Bergs gelüftet.

Text und Fotos: Guillaume Vallot

„Kontinental“ ist der Hielo Patagonico Sur nur dem Namen nach behaupten all jene Geografen, die in ihren Amtsstuben sitzen. „Nur“ achthundert Kilometer lang, zweihundert Kilometer breit und achthundert Kilometer dick ist der „Hielo“, ziemlich beeindruckend finden wir…Die im Jahr 2008 an die Touristen verkauften Landkarten basieren auf einer mittelmässigen Satellitenaufnahme und sind daher nicht sehr präzise. Zahlreiche Berge tragen den Beinamen „Vulkan“, obschon sie keinen vulkanischen Ursprung haben. So wurde zum Beispiel auch der Fitz Roy „El Chalten“ genannt, was in der Sprache der Tehuelche Indianer so viel wie„Vulkan“ heisst. Das vorhandene Kartenmaterial ist spärlich und oft um Jahrzehnte veraltet. Erstellt von Seeleuten wie auch Bergsteigern, hat es zu einem chaotischen System geführt, was allem Geheimnisvollen grundsätzlich eigen ist. Mit dem Vulkan Lautaro ist dies nicht anders.

Lord Thomas Brassey, welcher 1876 mit einem Segelboot die Küste Patagoniens entdeckt, beobachtet bei seiner Fahrt einen Aschenstrom, welcher von den Kordilleren runter zu kommen scheint und nennt diesen vermeintlichen Vulkan kurzerhand „Humboldt“ Vulkan. Ein argentinisches Expeditionsteam, welches sich diesem Gebiet im Jahr 1952 von der Westseite her nähert, glaubt in der Ferne einen schönen, unbekannten Berg ausmachen zu können, den es zu Ehren des indianischen Unabhängigkeitshelden und Kriegshäuptlings Lautaro (1535-1557) „Cerro Lautaro“ tauft.

Lliboutry’s These Der anerkannte Glaziologe Lliboutry entdeckt einige Jahr später anhand von Luftaufnahmen eine vulkanische Tätigkeit. Lliboutry nennt seine „Entdeckung“ Vulkan „Viedma“ und setzt diesen ohne weitere Überprüfung auf die Liste der weltweiten Vulkane. Im Jahr 1959 beschliesst der berühmte englische Entdecker, Eric Shipton, dem Geheimnis um den Lautaro auf den Grund zu gehen. Doch am Viedma angekommen, findet er nichts weiter als eine Ansammlung von Felsbrocken, angeordnet wie in einem Amphitheater. Hat die Form des Kraters Lliboutry also getäuscht? Zurück vor Ort im Jahr 1960 beobachtet Shipton entlang der elfenbeinfarbenen Flanken des Cerro Lautaro eine schwarze Öffnung, welcher Dämpfe entsteigen. Dessen Team wird verzaubert Zeuge einer Eruption aus Asche, die den Gletscher mit einer feinen grauen Decke bedeckt. Doch aufgrund wiederholter technischer Schwierigkeiten, sieht sich das Expeditionsteam gezwungen, umzukehren, ohne den Gipfel erreicht zu haben. Dies gelingt 1964 dem Bergsteigerteam Pedm Skvarca und Luciano Pera, welche eine intensive vulkanische Tätigkeit bestätigen. 1973 stellt der Brite Leo Dickinson fünf Risse fest, denen Schwefelgase entsteigen. Er entdeckt unter der Eiskruste eindeutige vulkanische Tätigkeit. 1998 stellen die Franzosen Bruno Sourzac und Laurence Monnoyeur eine abnehmende Tätigkeit fest. Dennoch sind sie in der Lage, sich an den austretenden heissen Gasen zu wärmen.

Eisblumen „Wenn ich, was Patagonien angeht, nur einen einzigen Ratschlag geben könnte, würde ich jedem zum sofortigen Aufbruch raten, sobald sich eine Schönwetter Front ankündigt“, sagte Bruno Sourzac im Staub des El Chalten. „Trotz intensiver gemeinsamen Anstrengungen, fragen wir uns, wann diese Mauer aus Schnee endlich zurückgehen wird. Die Sturmwinde setzen den Zelten stark zu, in welchen wir seit nunmehr zwei Tagen Schutz suchen. Eduardo, unser argentinischer Guide ist aber völlig entspannt: dieser Sturm ist nicht ungewöhnlich! Doch die Zirruswolken über den Gipfeln und ein schnell abfallender Druck haben den Sturm im Vorfeld treffsicher angekündigt: Der Pazifik hat uns also mit einem kräftigen Tiefausläufer willkommen geheissen. Doch bei den ersten Anzeichen, dass die Front nun bald vorüber sein könnte, wird unser Team wieder aktiv. Und tatsächlich, bis am Mittag des Folgetages ist der ganze Spuck vergessen und wir brechen in Jubelschreie aus. Jetzt haben wir Traumwetter! Verteilt auf die verschiedenen Gipfel des Lautaro holen wir die Verzögerung schnell auf. Unser Blick schweift in die Ferne. Im Osten können wir den Fitz-Roy und den Cerro Torre ausmachen. Im Westen liegen die grünen Meeresarme des Pazifiks mit ihren Eisbergen. Jeder von uns ist bis an die physischen und mentalen Grenzen gegangen, um seinen individuellen Gipfel zu erreichen. Ein südlicher Gipfel, der auf den Karten mit 3'200 Metern angegeben ist, zeigt auf dem GPS 3'505 Meter an. Ein Gipfel im Norden zeigt auf dem Höhenmesser 3'665 Meter an, während die offizielle Version nur 3'380 Meter beträgt… Der Vulkan schläft. Doch einige aufsteigende heisse Dämpfe erinnern uns daran, dass dieser Berg vor knapp einem halben Jahrhundert noch zu schrecklichen Wutausbrüchen fähig gewesen ist. Könnte der Lautaro zu einem Klassiker werden? Man ist geneigt, dem zuzustimmen, nach all den tollen Erlebnissen, die wir an diesem Berg gemacht haben. Doch haben wir nicht einfach nur sehr viel Glück gehabt mit dem Wetter? Das vergangene Jahrzehnt scheint aufgrund der weltweiten Klimaerwärmung eine beruhigende Wirkung auf Patagoniens Wetter zu haben. Doch die Antwort auf all diese Fragen werden nur die beantwortet bekommen, die dieses traumhafte Abenteuer wagen…

Praktische Hinweise
Anreise und Formalitäten

Flug von Buenos Aires nach Calafate. Bustransfer El Calafate-EI Chalten.
Französische Botschaft in Argentinien: www.embafrancia-argentina.org
Restaurantempfehlung in El Chalten: Fuegia Bistro.
Kommunikation: Post, öffentliches Telefon, Intemet. www.elchalten.com
Parc national de los Glaciares: Besuch sehr empfohlen, es ist bei den Behörden eine Bewilligung einzuholen, will man die argentinisch-chilenische Grenze auf dem Hielo überschreiten.

Ideale Reisezeit: Während der Sommermonate auf der Südhalbkugel, d.h. Ende November bis anfangs Januar.

Weitere Informationen über:
Michel Vincent
Terres Oubliées
14 rue Aimé Collomb 69003 Lyon
www.terres-oubliees.com
Tél.: 04 37 48 49 90
Fax: 04 78 60 19 94

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