Das Aletsch Massiv
Ein Paradies für Tourenskifahrer

Die riesigen Ausmasse des Aletsch Massivs machen dessen Besuch mit Tourenskiern zu einem absoluten Muss. Herzlich willkommen auf dem alpinen Packeis!

Text und Fotos : Stéphane Maire

Ankunft auf dem Jungfraujoch, Endstation des Zugs, der täglich riesige Touristenströme auf eine Höhe von 3'500 Metern befördert. Die Mehrheit unter ihnen bleibt brav hinter den verglasten Scheiben des Gebäudes, welches auf dem Berggrat der Jungfrau steht, um von hier aus das spektakuläre Panorama inmitten mythischer Gipfel und gigantischer Gletscher zu bewundern. Einige unter ihnen wagen sich ein bisschen weiter und gehen entlang dem Schutz von Galerien bis zu den Schneefeldern inmitten ewigen Eises. Wer hier noch weiter geht, begibt sich in unwirtliches Gelände. Doch Abschrankungen und Hinweistafeln können die Wagemutigen nicht abhalten: die Grenze einmal passiert, verlassen sie unsere geordnete Welt und tauschen sie ein gegen die Bergwelt mit ihren Risiken.

Ein gewaltiger Gletscher
Der Zugang zu diesem geschützten Paradies, welches im Aletschgebiet liegt, ist dank der Eisenbahnverbindung Grindelwald - Jungfraujoch leicht zu erreichen. Das Portemonnaie muss bei dieser Passage mit. Wir wollen aber nicht verschweigen, dass es auch noch andere Wege gibt, wenngleich deutlich längere, die ins Massiv führen, dafür aber abenteuerlicher sind. Wir schliessen uns der Mehrheit an. Vom Sphinx-Observatorium breitet sich entlang eines sanften Hanges ein riesiger weisser Teppich aus bis zum Konkordiaplatz. Hier verschmelzen vier Gletscherarme zum Aletschgletscher, dessen Zunge die längste im Alpenraum ist. Auch ohne besonders grosse Vorkenntnis über diese Bergkette wird man sich der Grossartigkeit des Ortes bewusst. Es genügt, einen der Gletscher im Sommer überquert oder im Winter bestiegen zu haben…endlos scheint hierfür das einzig adäquate Prädikat zu sein. Umso mehr ein Grund, auf Tourenskiern diese traumhafte Landschaft kennen zu lernen, denn Gipfel, die man mit den Skiern befahren kann, gibt es viele.

Mehrere Hütten erlauben das Entdecken dieser Region. Die Konkordiahütte im Herzen des Massivs kann als Ausgangsbasis für den Kranzberg, den Trugberg, die Fiescherhörner, die Grünhörner oder das Kleine Wannenhorn dienen. Entscheidet man sich für die Finsteraarhornhütte über die Grünhornlücke, so entdeckt man einen anderen Teil der Gletscherlandschaft, die nicht weniger schön oder beeindruckend ist: das Finsteraarhorn als höchster Punkt im Berneroberland überragt mit seinen 4'200 Metern die Zunge des Fieschergletschers. Von seinem Gipfel aus liegt dem Skifahrer die ganze Grimselregion zu Füssen. Auch hier, Gletscher über Gletscher ohne Ende. Wir sind uns bewusst, dass diese Gegend nichts für Freunde des Strandlebens und der Palmen ist! Von der Hütte am Fusse des Giganten lässt sich auch das Gross Wannenhorn besuchen: eine Fahrt runter vom Gipfel mit grandioser Aussicht über den ganzen Aletschgletscher. Ein wahrer Klassiker…

Zwei grandiose Gebirgskessel
Jene, die das Jungfraujoch am Nachmittag erreichen, wählen vielleicht einen Zwischenstopp in der unweit des Gebirgspass gelegenen Mönchsjochhütte. Am Folgetag drängt sich ein Gang zum Gipfel der Jungfrau auf, wenn es die Bedingungen erlauben. Beiläufig sei erwähnt, dass die Bedingungen hierfür im Frühling am besten sind: Die Gletscher sind besser zugedeckt, die Schneedecke regelmässiger und die Temperaturen angenehmer. Will man alle Gebiete erkunden, so empfiehlt sich ein Besuch Mitten im Winter. Dann nämlich, wenn die Gletscher an einsame Packeisschollen erinnern, zeigen sie sich in ihrem schönsten Kleid, die Hütten leiden noch nicht unter dem Frühlingsandrang , und man spürt eine Einsamkeit, die so in den Alpen selten geworden ist. Besteigt man das Aletschhorn über eine der Normalrouten passiert man das Mittelaletsch Biwak und die Oberaletsch Hütte. Diese beiden Schutzhütten erlauben das Entdecken der „Nebenflüsse“ des Grossen Aletschgletschers, die ihre Quellen in zwei grandiosen Gebirgskesseln haben.

Das Massiv zu verlassen, bedeutet eine ganz andere Anstrengung, als es zu betreten. Von Süden her muss man den Aletschgletscher runter fahren, der verglichen mit anderen Gletschergebieten äusserst gutmütig ist, auch wenn er auf seiner linken Seite nicht wenige Spalten aufweist. Diese Route wählt man, will man zurück in die Skigebiete Fiesch oder Bettmeralp-Riederalp. Der Gang zurück aufs Jungfraujoch ist für den Skifahrer auch keine verlockende Perspektive, doch bei schlechtem Wetter sollte man diese Lösung vielleicht ins Auge fassen. Doch auf der Westseite bietet sich mit dem Anstieg auf das Mittaghorn und der Abfahrt ins Lötschental die weitaus attraktivste Variante, die einem auf wunderschöne Art und Weise die Rückkehr in die Zivilisation ermöglicht. Der lange Anstieg auf sanftem Hang bis in die unmittelbare Umgebung der Lötschenlücke und hinauf zum Gipfel lässt sich bis am Abend bewältigen, entschliesst man sich, die Nacht in der Hollandiahütte zu verbringen. Doch die weitaus originellste Lösung, das Massiv zu verlassen, führt nach Osten über die Finsteraarhornhütte oder die Oberaarhornhütte, von wo aus man ins Gommertal gelangt. Zusammengefasst kann man sagen, dass es beinahe unbeschränkte Möglichkeiten gibt, die es einem jeden erlauben, eine massgeschneiderte Route zusammen zu stellen. Eines ist jedoch klar: will man die grossen Routen der Alpen fernab des Üblichen kennen lernen, so empfiehlt sich eine gründliche Vorbereitung und einige Tage für die eigentliche Tour. Denn hier sind Raum und Zeit scheinbar unermesslich gross…

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